Wenn der Berg ruft ist der Streckenrekord in Gefahr
Seit nunmehr fast 50 Jahren verwandelt sich im Sommer, alljährlich die Wiese oberhalb des Homburger Schießhauses in ein friedliches Heerlager. Dann wird es entlang der Käshofer Landstraße wieder laut, bunt und vollgestopft mit Menschen, Rennfahrzeugen, Trailern und Wohnmobilen. Aus dem gesamten Bundesgebiet und dem Großherzogtum Luxemburg reisen zum Rennwochenende des 8./9. Juli 2023 über 120 Pilotinnen und Piloten schneller und PS-starker Renn-Boliden zum 48. Homburger ADAC Bergrennen an, und möchten einmal im Jahre ihre Leidenschaft und Lebensfreude mit den rund 4.000 erwarteten Motorsportfans aus der Region teilen.
„The same procedure as every year“ gilt nicht nur für das „Diner for one“ an Sylvester, sondern auch für die Männer und Frauen des Homburger Automobilclubs, die über Generationen hinweg seit 1974 alljährlich die aufwendige Prozedur dieses „Rennspektakels im Grenzbereich“ auf sich nehmen. Ehrenamtlich tätig, wissen die fleißigen Helfer was auf sie und ihre Gäste aus nah und fern zukommt. A pro Pos Helfer; die waren und sind knapp und es war im Frühjahr lange fraglich, ob das traditionsreiche Motorsport-Event in diesem Jahr überhaupt stattfinden kann. Mit Hilfe des ADAC Regionalverbands Saarland hält man den Rennbetrieb aktuell aufrecht. Für die Austragung der Läufe zur Deutschen und Luxemburger Bergmeisterschaft, sowie zum KW Berg-Cup, ist ein enormer organisatorischer Aufgabenpool abzuarbeiten, egal ob handfest auf dem Veranstaltungsgelände, zwischen dem saarländischen Homburg und dem westpfälzischen Käshofen oder am heimischen Schreibtisch, mit Telefon und PC. Nach dem Rücktritt von Jürgen Guckert, wird der Posten des Rennleiters erstmals vom Wolsfelder Björn Hoffmann bekleidet. Der 44-Jährige Eifeler vom EMSC Bitburg, wird am Karlsberg sein erst zweites Bergrennen leiten, ist aber seit Jahrzehnten in der Scene in den unterschiedlichsten Funktionen etabliert.
Aus sportlicher Sicht steht bei entsprechenden Wetterbedingungen der absolute Streckenrekord zur Disposition. Für die kurvenreichen 2,6 km vom Lambsbachtal bis vor die Tore Käshofens, benötigte im Jahr 2016 der Luxemburger David Hauser in seinem Dallara GP2-Formelrennwagen genau 1.05,404 min, was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 143,11 km/h entspricht. Wohlgemerkt bei stehendem Start! Bereits im Vorjahr war Alexander Hin (startet 2023 in der Berg-EM), bis zu seinem Aufhängungsbruch nah an diese Marke herangefahren. Wenn einer aus dem diesjährigen Starterfeld diese Marke knacken kann, dann ist es der Freiburger Patrick Zajelsnik, mit seinem Norma M20 FC Mugen V8-Prototyp. Der Deutsch-Slowene war zuletzt 2006 auf der Käshofer Straße am Start und sicherte sich damals den Gesamtsieg. Ebenfalls aus dem Breisgau kommt der Vorjahressieger Stefan Armbruster. Ranker und schlanker als im Vorjahr, wird er in seinem Osella FA30 V8 einsteigen und hoffen dass sein weniger an Körpergewicht, sich auch in den jeweils drei Fahrzeiten pro Tag bemerkbar machen. Ebenfalls zu den Top-Favoriten zählt zweifelsohne der Italo-Luxemburger Canio Marchione. Der mehrfache Berg-Champion des Großherzogtums pilotiert einen Osella PA 2000, ebenfalls aus der Gruppe E2-SC (Sports Cars). Weitere soundstarke V8-Ungetüme a la Norma M20 setzten Patriks älter Bruder Alexander Zajelsnik oder der Dillenburger Bernd Simon ein. Aus der Gruppe der Formel-Rennwagen stechen die beiden 3 Liter V6 Dallara World Series Modelle von Gerd Kauff (Alzey) und Robert Meiers (Phillippsweiler) heraus. Auch mit der Formel 3 (2000 ccm Hubraum) ist zu rechnen, wenn es um Top 5-Paltzierungen geht. Frank Debruyne (Neuried) und der Norddeutsche Newcomer Marco Lorig vertrauen ebenfalls auf die italienische Marke Dallara.
Etwas umgewöhnen müssen sich die Zuschauer im Bereich der Tourenwagen. Die Einteilung nach Hubraum und Verbesserungsgrad ist passé. Seit Saisonbeginn greift auch in Deutschland, die neue internationale Formel des FiA-Performacefaktors. Die Klassifizierung basiert grundsätzlich auf den Komponenten: Aerodynamik, Antrieb, Fahrzeuggewicht und Motorisierung. Um den Tagessieg bei den „Rennern“ mit Dach streiten sich aber weiterhin altbekannte Namen. Der Titelverteidiger Patrick Orth (Bergweiler) fährt nun Porsche. Mit einem baugleichen 911 GT3 Cup (PF2), trägt Jochen Stoll (Gundersweiler) die Hoffnungen das ausrichtenden Homburger Automobilclubs. Zu einer YouTube-Ikone geworden ist mittlerweile der Odenwälder Holger Hovemann und sein Opel Kadett C GT/R V8 (Performance-Faktor 1), der auf einer Chevrolet Corvette basiert und weltweit einen Einzelstück darstellt. Zum Reigen der Schnellsten zählen zudem der amtierende Deutsche Bergmeister Erwin Buck (VW Scirocco Spiess 16V), Marcel Gapp (BMW E36 M3) oder Werner Weiss (Ford Escort BDA). Aus dem nahen Hunsrück kommend, sorgte die erst 22-Jährige Claire Schönborn, die letzten Wochen für Furore am Berg, in ihrem VW Golf 16V STW. Für ihr Heimrennen hat sich die junge Ingenieurin aus Löffelscheid einiges vorgenommen. Ein echter „Allrounder des Motorsports“ ist Rainer Noller, als mehrfacher Saarländischer Rallye-Meister mit Rundstreckenerfahrung. Als 18-Jähriger führ der Schwabe vor über 30 Jahren in Homburg sein erstes Bergrennen.
Der von den Organisatoren angestrebte Umzug des Fahrerlagers auf die L215, musste der Einfachheit halber, auf das nächste Jahr verschoben werden, wenn es dann heißt „50 Jahre Homburger Bergrennen“. Die Teams müssen also nochmals mit der zwar idyllischen, aber unbefestigten Wiese am Stumpfen Gipfel vorlieb nehmen, die mittlerweile den allgemein gültigen Ansprüchen in der internationalen Berg DM nicht mehr genügt. Nichts desto trotz wird es hier wieder ein Festzelt geben, erstmals ausgestattet mit zwei Rennsimulatoren des ADAC. Beim virtuellen Bergrennen auf und an der Käshofer Straße dürfen die Besucher an beiden Tagen selbst am Lenkrad drehen. Auf die Schnellsten warten 3×2 Wochenendtickets für das Bergrennen 2024. Das reale Racing beginnt ein paar Meter weiter an beiden Tagen ab 8 Uhr bis jeweils ca. 18 Uhr. Am Samstag (08.07.) werden drei Trainingsläufe ausgefahren. Um Sieg und Platzierungen geht es am Sonntag (09.07.), quasi im „Großen Preis der Saarpfalz“.